Beim Winterschutz exotischer Pflanzen ist die Wahl des Schutzmaterials eminent wichtig: Vlies, Styropor oder vielleicht doch besser Luftpolsterfolie?
Material-Eigenschaften |
Die Anforderungen an Winterschutzmaterialien können je nach zu schützender Pflanze sehr unterschiedlich sein (siehe auch: Winterschutz von Exoten: Kulturanforderungen). Im wesentlichen dreht es sich um folgende Material-Eigenschaften:
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Wärmedämmung |
Insbesondere frost-empfindliche Pflanzen benötigen möglichst gut-frostdämmende Materialien. Hierzu werden Materialien je nach Wärmeleitfähigkeit in sogenannte Wärmeleitstufen (WLS) [früher: Wärmeleitgruppen / WLG] eingeteilt. Bei Dämmmaterialien finden sich i.d.R. entsprechende WLS-Kennzeichnungen auf der Verpackung. Wärmeleitstufen kleiner WLS 030 dämmen / isolieren besonders gut, solche über WLS 050 besonders schlecht. Materialien lassen sich i.ü. je nach Herstellungsart auch in unterschiedlichen WLS erzeugen. Von einer Leitstufe zur anderen (z.B. WLS 030 zu WLS 031) erhöht sich der Energieverlust (der sogenannte U-Wert) bei gleicher Materialstärke um etwa 3%. Eine Verdopplung der Materialstärke wiederum halbiert den Energieverlust etwa. Anders gesprochen: je höher die WLS eines Materials, desto stärker / dicker muss die Wärmedämmung bei gleichem Energieverlust ausgeführt werden. Die geringste Wärmeleitfähigkeit besitzt Vakuum. Auch mit Luft (also Gasen) gefüllter Raum dämmt hervorragend. Styroporplatten bestehen genau aus dem Grund aus vielen winzigen, mit Gas gefüllten Kunststoffbläschen. Der Vergleich Styrodur vs. Styropor ist i.ü. spannend. Styrodur dämmt etwas besser als Styropor, ist aber weniger atmungsaktiv. Styrodur ist darüber hinaus feuchtigkeitsverträglicher als Styropor. Als Orientierung hier mal in etwa die WLS ausgewählter Dämmmaterialien: |
Material | WLS |
Mineral- / Glas- / Steinwolle | 032 |
extrudiertes Polystyrol (= XPS = Styrodur) | 025-033 |
Polyester | 035 |
expandiertes Polystyrol (= EPS = Styropor) | 035-040 |
Schafwolle | 040 |
Schilfrohr | 055 |
Beispielrechnung: Der Styropor-Schutzbau für meinen Grasbaum besteht aus 4 Seitenteilen mit jeweils 0.50mx0.50m und einem Deckel mit einer Größe von 0.64mx0.64m. Damit ergibt sich ein Innenraum von etwa 0.36m (Länge) x 0.36m (Breite) x 0.50m (Höhe), den ich zu allen Seiten mit 10cm dicken Styroporplatten abdecke. Der umbaute Innenraum hat also gen Atmosphäre eine Fläche von: 4×0.36mx0.50m x 1×0.36mx0.36m = 0.85m² 10cm dicke Styroporplatten haben etwa einen U-Faktor von 0.33W/m²K (bei 15cm sind es i.ü. etwa 0.22W/m²K und bei 20cm nur noch 0.17W/m²K). Bei der umbauten Fläche ergibt sich so ein Wert von 0.28W/K. Nimmt man nun einen Strengfrosttag mit einer Außentemperatur von -20° und einer gewünschten Schutzbau-Innentemperatur von 0° an, so ergibt sich eine zu haltende Temperaturdifferenz von 20°. So ergibt sich eine Verlustleistung von 5.6W. Rechnet man leichte Verluste aufgrund eines nicht zu 100% dichten Schutzbaus mit ein, so hat der Schutzbau in dem Fall eine Verlustleistung von vielleicht 10W. Heisst andersherum: eine Heizquelle mit 10W hält den Schutzbau-Innenraum selbst bei -20° Außentemperatur auf 0°. Das von mir verwendete 4m-Heizkabel mit 64W ist daher völlig überdimensioniert. Eine 15W-Glühbirne würde vermutlich ausreichen (bei Glühbirnen werden etwa 95% der eingespeisten Energie in Wärme umgewandelt und nur 5% für das Licht). |
Atmungsaktivität |
Insbesondere pilz-anfällige Pflanzen benötigen beim Winterschutz möglichst atmungsaktive Materialien. ‚Atmungsaktivität‘ ist eigentlich ein umgangssprachlicher Begriff und meint die Wasserdampfdurchlässigkeit eines Materials. Unter atmungsaktiv versteht man also die Fähigkeit, inwieweit ein Material Wasserdampf durchlässt. Dazu darf das Material nur sehr wenig Feuchtigkeit aufnehmen und muss schnell trocknen. Atmungsaktivität wird i.d.R. mit dem RET-Testverfahren (Resistance of Evaporation of a Textile) ermittelt, gelegentlich auch mit dem MVTR-Testverfahren (Moisture vapor transmission rate). Gemäß RET-Verfahren lässt sich die Atmungsaktivität von Materialien dabei folgendermaßen einteilen:
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Lichtdurchlässigkeit |
Insbesondere viele immergrüne Pflanzen benötigen möglichst lichtdurchlässige Materialien. Warum? Im Winter gehen Pflanzen in Dormanz (Ruheperiode von Organismen). Der Nährstoffbedarf wird auf ein Minimum reduziert. Die Pflanzen leben – mehr oder weniger – von ihren Reserven. Es gibt Pflanzen, die im Winter komplett von ihren Reserven leben können. Diese können problemlos im Dunkeln überwintert werden. Das trifft z.B. auf die meisten frostverträglichen Palmen – wie z.B. Trachycarpus fortunei, Trachycarpus wagnerianus oder Chamaerops humilis – zu. Weniger frostverträgliche Palmen wie z.B. Phoenix canariensis, Washingtonia robusta oder Butia odorata benötigen dagegen eine helle Überwinterung, um die Stoffwechselaktivitäten angeregen. Lichtdurchlässige Winterschutzmaterialien führen aber nicht nur zu erhöhten Stoffwechselaktivitäten. Je lichtdurchlässiger Winterschutzmaterialien sind, desto:
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Weitere Eigenschaften |
Darüber hinaus gibt es weitere Eigenschaften: feuchtigkeits-empfindliche Pflanzen benötigen möglichst wasserdichte Materialien. Frei-stehende Pflanzen benötigen möglichst winddichte Materialien. Außerdem spielt natürlich auch die Strapazierfähigkeit des Materials eine Rolle, also z.B. die Reißfestigkeit oder die Beständigkeit bei UV-Strahlung, Feuchtigkeit oder Hitze oder auch die Brennbarkeit. |
Fazit |
Die Wahl des geeigneten Schutzmaterials ist nicht generell zu beantworten, sondern sollte vielmehr in Abhängigkeit von den Kulturanforderungen der jeweiligen Pflanze getroffen werden. Ist die Pflanze besonders frostempfindlichlich? Ist sie pilzanfällig? Benötigt sie Licht? Sollte sie möglichst trocken stehen? |