Immer mehr wagen sich an die Freiland-Kultivierung von Feigen + entwickeln hierbei echten Enthusiasmus. Woher kommt die Feigen-Faszination?
Bei mir hat es geschlagene 11 Jahre gedauert, bis ich erstmals seit Anlage meines Gartens Feigen für mich entdeckt habe. Warum hat es bei mir so lange gedauert? Hauptgrund war wohl, dass ich Feigen eigentlich nur als getrocknete Feigen kannte, die meine Mutter früher oft abends vor dem Fernseher gegessen hat. Ich fand die geschmacklich immer eher so la-la. Und frische Feigen hatte ich gar nicht auf dem Radar. Mein 1. Aha-Erlebnis hatte ich, als meine Frau irgendwann mal zufällig frische Feigen aus dem Supermarkt mitbrachte. Wow, waren die lecker! Das hatte wenig zu tun mit den getrockneten Feigen, die ich aus meiner Kindheit kannte. Wie lecker müssen die erst sein, wenn man sie ganz frisch direkt im eignenen Garten ernten kann? Mein Interesse war geweckt. Und als ich mich dann online schnell mal bzgl. der Kultivierung von Feigenbäumchen informieren wollte, wurde ich ein 2. Mal überrascht: die Vielfältigkeit der Feigenwelt war mir in der Form überhaupt nicht bewusst. Feigen sind biologisch hoch-spannend. Im Gegensatz zu anderen Pflanzen haben sie keine sichtbaren Blüten, sondern bilden Scheinfrüchte aus, in deren Innerem sich Blüten befinden. Zur Befruchtung haben Feigen unten eine kleine Öffnung, gerade groß genug, dass die nur etwa 2mm kleine Feigengallwespe durchkommt. Es gibt männliche und weibliche Feigen, die beide Früchte bilden, wobei aber nur die Früchte der weiblichen Feigen genießbar sind. Bei weiblichen Feigen gibt es wiederum 3 unterschiedliche Typen, die je nach Typ einen Befruchtungspartner (und Feigengallwespen) benötigen oder eben nicht. Da es bei uns bis dato (quasi) keine Feigengallwespen gibt, sind wir auf selbstfruchtende, sogenannte ‚adriatische‘ Feigen angewiesen. Diese wiederum unterteilen sich in 2 Untertypen: ‚Bifera‘ mit 2 Feigengenerationen und ‚Unifera‘ mit nur 1 Feigengeneration pro Saison. Die 1. Feigengeneration wächst am ‚alten‘ Holz und liefert etwa Mitte des Jahres reife Feigen, sogenannte ‚Frühlingsfeigen‘ bzw. ‚Brebas‘. Die 2. Feigengeneration wächst an im Frühjahr neugebildeten Trieben und liefert im Herbst reife Feigen, sogenannte ‚Herbstfeigen‘. Es gibt also Feigensorten, die nur Frühlingsfeigen liefern, andere, die nur Herbstfeigen liefern und wieder andere, die Sommer- und Herbstfeigen produzieren. Mehr dazu hier. Grundsätzlich kommen Feigen mit etwas Winterschutz gut über unsere Winter. In strengen Wintern kann es aber passieren, dass die Feige mehr oder weniger stark zurückfriert. Das hat zur Folge, dass es ggf. keine ‚Brebas‘ gibt. Es gibt hunderte Feigen-Sorten, die sich u.a. in Wuchs, Farbe, Frosthärte, Fruchtgeschmack und Reifezeitpunkt z.T. massiv unterscheiden. Idealerweise findet man unter diesen eine möglichst wohlschmeckende Sorte mit großem Fruchtertrag, die so frosthart ist, dass sie im Winter möglichst wenig zurückfriert (vgl.: besonders frostharte Feigensorten), die Frühlingsfeigen so spät bildet, dass sie nicht Spätfrösten zum Opfer fällt und deren Herbstfeigen sich so früh bilden, dass sie noch rechtzeitig ausreifen können. Die Suche nach dem heiligen Gral… Nicht umsonst heisst es: ‚Die beste Feige ist die wohlschmeckende Feige aus Nachbars Garten.‘ Denn die beste Feige ist die, die bestmöglich zum eigenen Klima passt. Von Vorteil ist, dass man Feigen ganz einfach über Steckhölzer vermehren kann. Dazu schneidet man einfach einen Zweig einer Feige ab und kann diesen ohne größere Probleme bewurzeln. Wenn man Pech hat, erwischt man hierbei allerdings eine männliche Feige oder eine weibliche, die auf Feigengallwespen angewiesen ist. Glücklicherweise gibt es auf Social Media-Plattformen große Feigen-Gruppen, wo man sich über verschiedenste Feigen-Sorten, geeignete Winterschutzmaßnahmen etc. austauschen und Steckhölzer tauschen kann. So kann man recht einfach an sehr spannende Feigensorten gelangen. Feigen sind ein extrem umfangreiches Thema, in dem man sich so richtig austoben kann. Mit dem Thema lassen sich ganze Bücher füllen (die es natürlich auch gibt). Ich bin 2022 – ganz klassisch – mit einer ‚Brown turkey‘ gestartet. 2023 folgten eine ‚Michurinska-10‘ und eine ‚Sotschi Gold‘. Und in 2024 habe ich eine ‚Cesare‘ bestellt. Ich bin immer noch absoluter Anfänger in diesem Thema und freue mich wie ein kleines Kind auf die weitere Reise in diese faszinierende Feigen-Welt… |