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Ökologischer Fussabdruck eines Exotengärtners Exotengarten-KnowHow

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    Die Kultivierung exotischer Pflanzen erscheint aus ökologischer Sicht fragwürdig. Wie groß ist der ökologische Fussabdruck wirklich?

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    invasive Exoten
    invasive Exoten
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    Immer wieder liest man Artikel über invasive Neophyten, die unsere einheimische Flora + Fauna verdrängen und unser Ökosystem so nachhaltig verändern. Hanfpalmen in Tessin werden hier gerne als ‚Paradebeispiel‘ herangezogen.
    Als Exotengärtner fühlt man sich sofort angesprochen. Wird aus dem der naturverbundenen Garten-Hobby plötzlich ein naturfeindliches Hobby? Hinterlässt man als Exotengärtner ökologisch womöglich einen beträchtlichen Fußabdruck?

    Ökologischer Fussabdruck

    Der ökologische Fussabdruck (‚Ecological Footprint‘) eines Menschen berechnet sich über die 4 Kategorien ‚Wohnen + Energie‘, ‚Konsum + Freizeit‘, ‚Ernährung‘ und ‚Verkehr + Mobilität‘ und stellt die Fläche (in gha = globale Hektar) dar, die benötigt wird, um die benötigten Rohstoffe + den Energiebedarf des Menschen bereitzustellen.
    Als Exotengärtner muss man sich insbesondere hinsichtlich Energiebedarf für exotische Pflanzen (Pflege- + Schutzbedarf) und Veränderung der heimischen Flora hinterfragen.

    Energiebedarf für Pflanzen-Schutz + -Pflege

    Exotische Pflanzen haben i.d.R. einen etwas geringeren Pflegebedarf als einheimische Pflanzen, müssen aber im Winter meist viel besser geschützt werden. Hierbei spielt vorallem die Beheizung eine entscheidende Rolle.
    Bzgl. Beheizung habe ich den Energiebedarf in der Wintersaison 2023/24 mal ermittelt: bei 28 beheizten Exoten bin ich in Summe auf einen Verbrauch von etwa 72kWh gekommen (Kosten: etwa 25€). Das ist nicht nichts, aber doch halbwegs im Rahmen, finde ich. Da wir seit 2023 eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach haben, beheizen wir die Pflanzen mit ‚grünem Umsonst-Strom‘. Einen ökologischen Fußabdruck hinterlasse ich so nicht. Gut fürs Gewissen und die Geldbörse.

    Veränderung der heimischen Flora

    Neben dem Pflege- + Schutzbedarf exotischer Pflanzen führen insbesondere sogenannte invasive Neophyten zu einer nachhaltigen Veränderung des Ökosystems. Invasive Neophyten sind exotische Pflanzen, die sich bei uns derart rigoros ausbreiten, dass sie einheimische Pflanzen verdrängen können.
    Damit eine exotische Pflanze eine Bedrohung für unsere einheimische Flora darstellen kann, muss sie dauerhaft ohne menschliches Zutun bei uns überleben und sich vermehren können. Hierbei spielt neben der Winterhärte der Pflanze am jeweiligen Standort z.B. auch die Überlebens- + Keimfähigkeit der Samen eine entscheidende Rolle. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Großteil der Exoten nicht eigenständig-überlebensfähig ist. Sonst würden sie bei uns häufiger ausgepflanzt und hätten sich längst eigenständig ausgebreitet. Die meisten Exoten können also alleine aufgrund fehlender Winterhärte keine Bedrohung für unsere einheimische Flora darstellen.
    Wenn der Klimawandel aber weiter voranschreitet, wird das die Natur (und das heisst Flora + Fauna) verändern. Heute noch exotische Pflanzen + Tiere werden hier plötzlich ein für sie geeignetes Klima vorfinden. Und einheimische Pflanzen + Tiere kommen mit dem Klima hier nicht mehr zurecht, werden verdrängt + in Gegenden mit einem geeigneteren Klima ‚flüchten‘ oder auch aussterben.
    Wenn die klimatischen Voraussetzungen geschaffen sind, wenn es also durch den Klimawandel eine ökologische Nische für eine nicht-einheimische Pflanze gibt, so kann man sicher versuchen, deren Ausbreitung bei uns (z.B. durch Verordnungen, Import- + Exportbeschränkungen oder Zölle) einzudämmen, aufhalten wird man sie dauerhaft aber vermutlich nicht. Im Gegenteil: die Globalisierung wird dies eher noch beschleunigen. Der Klimawandel wird also letztlich darüber entscheiden, ob + wie sich Flora (+ Fauna) bei uns in den nächsten Jahrzehnten verändern.
    Neben den klimatischen Voraussetzungen zum Überleben einer exotischen Pflanze stellt sich die Frage, inwieweit sich der Exot gegen die heimische Flora durchsetzen kann. Viele Exoten sind immergrüne Pflanzen, wohingegen die meisten einheimischen Pflanzen laubabwerfend sind. Immergrüne Pflanzen können im Winter Photosynthese betreiben, also wachsen. Damit können sie sich im Wettstreit mit laubabwerfenden Pflanzen im Winter einen Wachstumsvorsprung erarbeiten, mit dem sie die laubabwerfenden Pflanzen auf Dauer verdrängen. Diesen Vorteil nutzen beispielsweise Hanfpalmen in Tessin, wo es im Winter vorzugsweise an Südhängen tagsüber immer mal wieder über 20° werden kann. Bei uns in Deutschland ist es dagegen in den allermeisten Gegenden im Winter so kühl, dass es praktisch nicht zur Photosynthese kommen kann, dass immergrüne Pflanzen im Winter also (noch) keinen Wachstumsvorteil gegenüber laubabwerfenden Pflanzen haben. Quantitative Untersuchungen zeigen, dass nur wenige der bei uns überlebensfähigen Exoten wirklich invasiv sind, also im Stande sind, sich gegen die einheimischen Pflanzen durchzusetzen und sie so auf Dauer bei uns zu verdrängen.
    Falls ein Exot wirklich invasiv ist, so muss aus ökologischer Sicht noch unterschieden werden, ob dieser Neophyt einheimische Nutzpflanzen verdrängt oder ’nur‘ irgendwelche ‚unnützen‘ Pflanzen.
    Und selbst, wenn ein Exot dann aus botanischer Sicht kritisch einzustufen ist, kann er aus anderen Gründen trotzdem Vorteile mit sich bringen. So kann der Exot z.B. aus zoologischer Sicht wertvoll sein, weil er das Nahrungsspektrum für bestimmte Tierarten erweitert, wie z.B. die Pollen der chinesischen Hanfpalme, die einer seltenen Fledermausart (Mystacina tuberculata) in Neuseeland als Nahrung dienen.
    Oft liest man, dass exotische Pflanzen das Artensterben befeuern, da sie einheimischen Insekten keine geeignete Nahrung liefern. Das halte ich in der Grundsätzlichkeit für Polemik und schlichtweg falsch, wenn ich sehe, wie intensiv meine Exoten während der Blütezeit von Insekten angeflogen werden (Exotengarten: Blüten + Insekten).

    Fazit

    Aus ökologischer Sicht sind eigenständig-überlebensfähige, nicht-invasive Exoten unbedenklich. Diese müssen weder im Garten gesondert gepflegt + geschützt werden noch können sie unserer einheimischen Flora gefährlich werden.
    Alle anderen Exoten hinterlassen einen mehr oder weniger großen ökologischen Fussabdruck.
    Was man dabei bedenken sollte: die Ausbreitung exotischer Pflanzen erfolgt nicht nur über den Menschen, sondern auch auf natürlichem Weg (z.B. durch Kotausscheidungen von Vögeln, Wind, …). Und die Anzahl der überlebensfähigen Exoten wird die nächsten Jahre alleine durch Klimaveränderungen sowie natürliche Kreuzung + Selektion im Zuge der Evolution weiter anwachsen.
    Denn eins muss klar sein: es gibt bei uns inzwischen Unmengen an Pflanzen (z.B. Rosen) und Nutzpflanzen (z.B. Kartoffeln), die ursprünglich als Exoten zu uns gekommen sind und inzwischen dauerhaft-kultiviert als quasi-einheimisch gelten.
    Daher: als Exotengärtner braucht man sich keinesfalls als ökologisches Monster fühlen.
    Es macht aber sicher Sinn, wenn man die wenigen bei uns wirklich invasiven Exoten meidet oder zumindest mit Bedacht pflanzt und den Pflege- + Schutzbedarf durch angemessene Pflanzen-Wahl sowie effiziente Schutz- + nachhaltige Pflegemaßnahmen halbwegs im vernünftigen Rahmen hält.